Die Pflege in Deutschland steht wieder einmal – nein, leider immer noch – vor einer Zerreißprobe. Ambulante Dienste müssen Touren streichen, stationäre Einrichtungen reduzieren ihre Kapazitäten, Insolvenzen häufen sich. Die Forderungen von proindividuum sind klar: nicht diskutieren oder Kommissionen bilden und reden, sondern nachhaltige Lösungen finden, umsetzen statt immer wieder sporadisch Löcher zu stopfen.
bpa stellt erneut Forderungen im Positionspapier klar
Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) warnt in seinem aktuellen Positionspapier vor einem Systemkollaps – und auch wir bei proindividuum erleben diese Entwicklung im Alltag. Deshalb ist es uns wichtig, unsere Patienten, deren Angehörige und unser Netzwerk immer wieder über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Wir beziehen Stellung zu den Themen unserer Branche, da die Pflege Einer der wichtigsten gesellschaftlichen Bereiche unseres Landes und wichtig für den inneren Zusammenhalt und die Zukunft unserer Gesellschaft ist.
Kostensteigerungen ohne Gegenfinanzierung
Aktuell werden laut Demografie-Portal 6 von 7 Pflegebedürftigen zu Hause versorgt – größtenteils allein durch Angehörige. Nur rund ein Fünftel erhält ambulante Unterstützung durch Pflegedienste, und lediglich jeder siebte Pflegebedürftige lebt stationär in einem Heim (Quelle: Demografie-Portal). Diese Zahlen zeigen: die pflegenden Angehörigen sind damit der wichtigste Pfeiler der Alten- und Krankenpflege. Sie tragen die Hauptlast der Versorgung. Wenn hier Finanzierungslücken entstehen, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Mehrheit der Pflegebedürftigen.
Eine Situation, die auch die ambulanten Pflegedienste betrifft. Seit 2017 sind die Punktwerte der ambulanten Pflegedienste im Durchschnitt um 38 Prozent gestiegen, während die Sachleistungsbeträge der Pflegeversicherung lediglich um 5 Prozent angepasst wurden. Diese eklatante Kostensteigerung führt u.a. dazu, dass immer mehr Pflegeeinrichtungen in eine finanzielle Schieflage geraten und Versorgungen einschränken müssen oder sogar Patienten ablehnen müssen.
Tarifautonomie? Politik verordnete Gehaltserhöhungen
Durch die Politik wurde beschlossen, dass Pflegekräfte, um den Beruf aktraktiver zu machen, besser bezahlt werden müssten. Ein Trugschluss, der nur von Menschen gemacht werden kann, die sich an der Basis nicht auskennen. Noch schlimmer: Die Refinanzierung dieser staatlich verordneten Lohnerhöhungen in der Pflege wurde nicht durch die Pflegeversicherung sichergestellt oder aus Steuergeldern finanziert. Das hat nichts mit Tarifautonomie zu tun. Am Ende zahlen die Pflegebedürftigen selbst die Zeche. Damit wird Pflege bereits heute zunehmend zum Luxusgut, das sich viele Familien kaum noch leisten können. Und die Pflege? Pauschale Erhöhungen von Gehältern bringen langfristig nicht mehr junge Menschen in den Pflegeberuf. Der Fachkräftemangel ist mit pauschalen Gehaltserhöhungen nicht zu bekämpfen. Die Praxis zeigt: die erhofften Ziele der Politik wurden wieder einmal nicht erreicht.
Schlechte Zahlungsmoral belastet: Sozialämter lassen Pflegeanbieter hängen!
Hinzu kommt die schleppende Zahlungsmoral vieler Sozialämter. Leistungen, die längst erbracht wurden, werden häufig erst nach Monaten oder einem Jahr bezahlt. Für die Pflegeeinrichtungen bedeutet das Liquiditätsprobleme und Unsicherheit in der Planung. Dabei müssen Löhne und laufende Kosten sofort gedeckt werden – eine prekäre Situation, die viele Träger an ihre Grenzen bringt. Ein Zustand, der Kollegen aus anderen Pflegeeinrichtungen dazu veranlasst, Patienten symoblisch vor den Sozialämtern abzustellen um auf die untragbare Situation aufmerksam zu machen. Die Sozialämter begleichen ihre Rechnung nicht oder schleppend und gefährden damit die Existenz der Einrichtungen und die Versorgung der sozial schwächsten dieser Gesellschaft.
Quelle: https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/pflegebeduerftige.html
Gesellschaftliche Folgen werden ignoriert
Die Krise in der Pflege betrifft längst nicht mehr nur die Einrichtungen selbst, sondern die gesamte Gesellschaft. Wenn Angehörige ihre Eltern pflegen und dafür ihr Erspartes einsetzen müssen, fehlt dieses Geld später für Investitionen – etwa in die Modernisierung von Häusern oder neue Heizungen. Wenn Mitarbeitende krank werden, weil sie neben ihrem Beruf zusätzlich ihre Angehörigen daheim versorgen, fehlen sie in den Betrieben im Produktionsprozess. Ganze Branchen leiden unter dem Pflegeproblem und wir stehen erst am Anfang.
Immer deutlicher zeigt sich auch die Gefahr einer Drei-Klassen-Pflege: wer Geld hat oder privat versichert ist, kann sich eine gute Versorgung leisten. Wer weniger hat, muss Einschränkungen hinnehmen – und wer gar nichts hat, ist auf das Minimum oder die Sozialhilfe angewiesen. Mit dem demografischen Wandel und dem Eintritt der Babyboomer-Generation in das Pflegealter wird diese Entwicklung noch verschärft. Wir sind noch nicht am Höhepunkt angekommen und dennoch reagiert die Politik mit Kommissionen und Arbeitskreisen, anstatt endlich Lösungen umzusetzen.
Forderungen des bpa für eine sichere Pflege
Der bpa, der Bundesverband privater Anbieter in der Pflege adressiert in seinem neusten Positionspapier klare Vorschläge an die Politik, wie die Pflege zukunftsfähig bleiben kann. Hierzu gehören z.B.:
- Automatische Dynamisierung der Sachleistungsbeträge entsprechend der Kostenentwicklung.
- Einmaliger Kostenausgleich, um die Kluft zwischen Preisen und Leistungen zu schließen.
- Anhebung der Leistungen der Pflegeversicherung in Tages-, Verhinderungs- und Kurzzeitpflege, um Angehörige zu entlasten.
- Übernahme versicherungsfremder Leistungen (z. B. Rentenpunkte für pflegende Angehörige, Behandlungspflege im Heim) aus Steuermitteln.
- Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen.
Unsere Position: stabile Rahmenbedingungen und verlässliche Finanzierung
Seit der Gründung von proindividuum im Jahr 2008 stehen wir für höchste Qualität. Alle Prüfungen haben wir seitdem mit der Bestnote 1,0 abgeschlossen. Doch Qualität hat ihren Preis – und den können wir nur dann halten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
„Wir sehen es als unsere Aufgabe, die bestmögliche Pflege für unsere Patienten zu leisten. Dafür brauchen wir stabile Rahmenbedingungen: verlässliche Zahlungen, faire Finanzierung und eine Politik, die nicht auf dem Rücken der Pflegebedürftigen entscheidet”, erklärt Aida Leibbrand, Geschäftsführerin von proindividuum Heilbronn und Ilsfeld.
Statt immer neue Kommissionen zu bilden, sollte die Politik auf die Praktiker hören – diese wissen, wo die Probleme liegen und wie man sie lösen kann, stellt Leibbrand klar.
Gesellschaftliche Aufgabe, Verantwortung und Engagement
Für proindividuum ist es wichtig, diese Themen nicht nur im eigenen Netzwerk anzusprechen, sondern auch die Öffentlichkeit regelmäßig zu informieren. “Die Menschen müssen verstehen, dass die Pflege sie in vielen Bereichen tangiert”, so Matthias Leers, Marketingverantwortlicher bei proindividuum. Dieser Verantwortung können sich die Bürger, aber auch die Unternehmen nicht mehr entziehen. Proindividuum bringt sich deshalb auch aktiv in Verbände wie den bpa ein, nimmt an regionalen Pflegekonferenzen teil und steht auch in den Medien, beispielsweise im TV-Format Pflegen & Betreuen von L-TV Landesfernsehen, für die Interessen der Zupflegenden ein.
Pflege braucht Verlässlichkeit
Die Pflegeversicherung muss wieder das einlösen, was sie verspricht: Menschen vor dem Abrutschen in die Sozialhilfe zu bewahren. Dazu braucht es keine theoretischen Gedankenspiele, sondern konkrete Maßnahmen. Wir bei proindividuum stehen bereit – aber ohne verlässliche Finanzierung ist die Versorgung in Gefahr. Reformen dürfen nicht auf dem Rücken der schwächsten, der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen ausgetragen werden.
Unser Fazit bei proindividuum: Nicht diskutieren, sondern nachhaltige Lösungen umsetzen. Wie diese aussehen können, hat unser Verband bpa in seinem neusten Positionspapier klar aufgezeigt.